„Mein Ziel ist es, mich im positiven Sinne ersetzbar zu machen!“
BLOG

Führen in Teilzeit erfordert sorgfältige Vorbereitung – sowohl von Seiten der Arbeitnehmerin als auch von Unternehmensseite. Auf der einen Seite ist es wichtig, sich gut abzustimmen, Verantwortung abzugeben und die Expertise im Team zu kennen. Auf der anderen Seite braucht es von Unternehmen Offenheit, Flexibilität und Vertrauen. Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, profitieren alle davon – sowohl in Bezug auf Spaß als auch auf Motivation.
In einem spannenden Interview, das unsere Mitarbeiterin und Beraterin Katharina Wulff mit Franziska Roesen - Mentorin bei move! - geführt hat, erfahren wir mehr darüber, wie Teilzeitführung in der Praxis gelingt und welche Voraussetzungen dafür wichtig sind.
Wulff: Schön, dass Sie sich heute die Zeit genommen haben, und wir ein bisschen aus Ihrem Nähkästchen erfahren dürfen, wie es dazu kam, dass Sie in Teilzeit Führungskraft sind. Zunächst einmal die Frage: Welche Voraussetzungen braucht es aus Ihrer Sicht, damit man in Teilzeit überhaupt führen kann?
Roesen: Das sind sowohl auf Unternehmensseite als auch auf der persönlichen Seite unterschiedliche Themen, die relevant sind. Was man als Person mitbringen sollte, ist auf jeden Fall ein gutes Organisationsvermögen sowie die Fähigkeit, Aufgaben abzugeben. Ich denke, Teilzeitführung kann vor allem dann gut funktionieren, wenn man Verantwortung ans Team überträgt. Dazu muss man wissen, welche Stärken und Schwächen die Teammitglieder haben, wem man welche Aufgaben anvertrauen kann und wie viel Unterstützung eine Person eventuell benötigt. Dabei ist Fingerspitzengefühl gefragt. Und man darf keinesfalls ein Mikromanager sein, der alles hinterher kontrolliert – das funktioniert nicht, denn dafür hat man keine Zeit. Vertrauen in das Team ist entscheidend.
Von Unternehmensseite braucht es Offenheit für das Thema. Ein Unternehmen muss flexibel auf die Bedürfnisse von Teilzeitführungskräften eingehen können. Beispielsweise kann ich nicht jeden Tag wichtige Meetings um 17:00 Uhr ansetzen – das funktioniert nicht. Daher müssen Strukturen und Prozesse regelmäßig überprüft werden: Was funktioniert auch in Teilzeit, und was muss gegebenenfalls angepasst werden? Es gibt Lösungen für diese Themen. Und natürlich muss man sich auch fragen, wie man Teilzeitkräfte, unabhängig davon, ob sie Führungskräfte sind oder nicht, langfristig motiviert halten kann. Sind die Benefits oder Policies des Unternehmens auch auf Teilzeitkräfte ausgelegt? Es gibt viele Unternehmen, die Firmenwagenzuschüsse oder ähnliche Leistungen für Teilzeitkräfte entweder nicht anbieten oder nur eingeschränkt. Diese Themen sollten überdacht werden, um Teilzeitkräfte fair zu behandeln und sie langfristig zu motivieren.
Wulff: Mussten Sie von Unternehmensseite erst darum kämpfen, dass es das Modell der Teilzeitführungskraft gibt?
Roesen: Ich bin nicht die erste Teilzeitführungskraft im Unternehmen, das Modell war bereits bekannt. Was bei mir aber besonders war: Teilzeit hängt oft stark vom Grund ab und von den privaten Umständen. In meinem Fall bin ich Mutter, und mein Mann und ich haben uns entschieden, beide in Teilzeit zu arbeiten – jeweils 80 %, um gleichberechtigte Elternschaft leben zu können und dennoch Zeit für unsere Karriereentwicklung zu haben. Da mein Mann im Schichtmodell arbeitet, brauchte ich viel Flexibilität, um meine Teilzeit zu gestalten. Es war in meinem Fall nicht möglich, feste Arbeitstage festzulegen. Ich musste jede Woche neu entscheiden, wann ich längere und wann kürzere Arbeitstage habe. Diese Art der Flexibilität war neu in meinem Team. Aber es hat gut funktioniert, weil ich von meinem direkten Vorgesetzten großen Vertrauensvorschuss erhalten habe. So konnte ich meine Arbeitszeit auf fünf Tage verteilen und die tägliche Arbeitszeit reduzieren. Ich musste aber jede Woche flexibel schauen, wann ich mittags aufhören muss und wann ich einen vollen Arbeitstag leisten kann.
Wulff: Gibt es auch Teilzeitführungskräfte ohne Kinder, die einfach von sich aus sagen, sie möchten nur in Teilzeit arbeiten?
Roesen: Das gibt es, aber in unserem Unternehmen ist es bislang die Ausnahme. Was ich beobachte, ist, dass vermehrt Teilzeitwünsche durch Themen wie Weiterbildung oder Pflege motiviert sind. Teilzeit ist ein sehr deutsches Thema. Im europäischen Vergleich gehört Deutschland zu den Spitzenreitern, und in den USA ist die Teilzeitquote noch einmal deutlich niedriger. Das ist ein Thema, das oft erklärungsbedürftig ist, besonders in Führungspositionen, wenn man mit Kollegen aus den USA zusammenarbeitet und Zeitverschiebungen berücksichtigen muss. Es kann schwierig sein, Meetings zu koordinieren, wenn man nicht zu den für alle passenden Zeiten teilnehmen kann. Daher ist es hilfreich, wenn man an ein bis zwei Tagen in der Woche länger arbeiten kann.
Wulff: Sie haben einen wichtigen Punkt angesprochen, gerade für Frauen mit Kindern, die in Teilzeit führen wollen: Wie war das bei Ihnen mit den Absprachen mit Ihrem Partner? War das schon von Anfang an ein Thema, als Sie sich entschieden haben, ein Kind zu bekommen?
Roesen: Wir haben schon während der Schwangerschaft darüber gesprochen und es damals geplant. Das war mir sehr wichtig, weil ich gerne arbeite und mein Job mir viel Freude macht. Zu dem Zeitpunkt war ich bereits seit etwa zweieinhalb Jahren in einer Führungsposition und wollte unbedingt wieder daran anknüpfen. Es war für mich klar, dass ich nach 12 Monaten wieder arbeiten wollte und dann in einer sogenannten vollzeitnahen Teilzeit. In meinem Fall sind es jetzt 30 Stunden pro Woche, um die Führungsrolle weiterhin ausüben zu können. Es war aber keine Diskussion – für meinen Partner war es selbstverständlich, dass wir gemeinsam eine Lösung finden würden. Er wollte ebenfalls Zeit mit unserem Sohn verbringen, und so konnten wir uns die Aufgaben gleichberechtigt aufteilen.
Wulff: War es für Ihren Mann in seinem Unternehmen kein großes Thema, Teilzeit zu arbeiten?
Roesen: Nein, er arbeitet in einem Unternehmen mit starkem Tarif und in einer Funktion, dass das kein Problem war.
Wulff: Sind Sie die alleinige Führungskraft, d.h., teilen Sie sich diese Position nicht mit jemand anderem? Und wie groß ist Ihr Team?
Roesen: Ja, ich bin alleinige Führungskraft, und mein Team besteht aus 11 Mitarbeiter*innen. Vier davon berichten an einen Teamlead, und sieben direkt an mich. Die Teamlead-Rolle wurde nach meiner Elternzeit eingeführt und war - unter anderem - eine Konsequenz der Teilzeittätigkeit. Es hat sich gut bewährt, denn ich führe ein Seniorteam, das bereits viel Erfahrung hat und sich gegenseitig gut unterstützt. Das erleichtert es mir, auch in Zeiten, in denen ich nicht erreichbar bin, zu wissen, dass das Team selbstständig Entscheidungen treffen kann. Aber auch in juniorigeren Teams kann man - zum Beispiel mit Buddy-Systemen - gute Lösungen finden.
Wulff: Haben Sie das alles von Anfang an gut gekonnt oder ist das etwas, das man lernen muss? Was würden Sie anderen Frauen mit auf den Weg geben?
Roesen: Ich denke, das ist etwas, das alle lernen müssen – und das Lernen hört nie auf. Als Führungskraft hat man oft den Anspruch, bei allen Themen der Experte / die Expertin zu sein, was nicht korrekt ist. Man kann die Experten im Team haben und muss wissen, wer bei bestimmten Problemen angesprochen werden sollte. Außerdem gibt es oft diese kulturelle Prägung, dass man niemandem zur Last fallen will – Delegation fühlt sich dann wie das Abwälzen von Aufgaben an. Man muss lernen, sich davon zu befreien, denn genau das Gegenteil ist der Fall: Verantwortung zu übertragen und das Team zu ermächtigen, sorgt dafür, dass alle mehr Spaß an der Arbeit haben und zufriedener sind. Natürlich gibt es auch im Arbeitsalltag Aufgaben, die eher unliebsam sind, aber man kann sicherstellen, dass jeder im Team an Aufgaben wächst, die ihn weiterbringen.
Wulff: Haben Sie das alles alleine geschafft oder haben Sie sich Unterstützung geholt?
Roesen: Ich habe mir sowohl im Unternehmen als auch außerhalb ein Netzwerk aus anderen Teilzeitführungskräften und Frauen in Führungspositionen aufgebaut, um mich regelmäßig auszutauschen. Es gibt auch sehr gute Literatur zu diesem Thema.
Wulff: Wie würden Sie Ihr Verständnis für Führung zusammenfassen? Wie ist Ihr Bild davon?
Roesen: Es klingt schon ein bisschen durch, aber ich bin auf jeden Fall nicht der Typ für Micro-Management. Ich finde, gerade Teilzeit-Führung zwingt einen dazu, anders zu denken. Ich habe das Gefühl, dass auch die "New Work"-Bewegung diesem Gedanken Auftrieb gegeben hat. Man muss als Führungskraft nicht mehr für alles der Experte / die Expertin sein oder alles selber machen. Man ist eher die Person, bei der die Fäden zusammenlaufen und die Abhängigkeiten der verschiedenen Themen im Blick hat. Gleichzeitig muss man auch als Eskalationsinstanz fungieren, wenn jemand im Team nicht weiterkommt – was zum Glück in meinem Fall eher selten vorkommt. Letztlich geht es auch darum, Coaching und Motivation zu gewährleisten.
Wulff: Können sich auch Vollzeit-Führungskräfte etwas davon abschneiden?
Roesen: Absolut. Ich glaube, das, was ich gerade beschrieben habe, gilt sowohl für Teilzeit- als auch für Vollzeitführungskräfte. Als Teilzeit-Führungskraft wird man gezwungen, so zu denken, weil man es gar nicht anders kann. In einer Vollzeitposition könnte man viele Dinge durch „mehr Zeit“ kompensieren, aber auch Vollzeit-Führungskräfte könnten von diesem Gedanken profitieren.
Wulff: Ja, das scheint mir auch eine gute Burnout-Prophylaxe zu sein. Wenn man nicht für alles zuständig ist, sondern das Team mehr Verantwortung übernimmt, aber man selbst trotzdem die Fäden zusammenhält. Ich glaube, das ist genau der Fehler, den Vollzeit-Führungskräfte machen, die nicht in diese Themen reindenken.
Roesen: Genau! Mein Ziel ist es, mich im positiven Sinne ersetzbar zu machen. Das bedeutet, wenn ich nächste Woche unerwartet krank werde oder aus anderen Gründen ausfalle, dann will ich Gewissheit haben, dass es weiterläuft.
Wulff: Gab es in Ihrem beruflichen Werdegang auch Krisen, wie zum Beispiel Zweifel an der eigenen Arbeit oder fehlende Wertschätzung?
Roesen: Ich muss sagen, dass ich immer Wertschätzung erfahren habe, sowohl von meinen Vollzeit-Kollegen als auch vom Unternehmen. Natürlich hängt das von der direkten Führungskraft und dem Unternehmensumfeld ab. Aber es gibt durchaus Fälle, in denen Teilzeitkräfte nicht so wertgeschätzt werden wie ihre Vollzeit-Pendants..
Wulff: Wie leicht fällt es Ihnen, Wertschätzung an andere weiterzugeben?
Roesen: Das ist ein Bereich, in dem ich noch Luft nach oben habe. Ich habe mir vorgenommen, das zu verbessern, indem ich meinem Team regelmäßig und zeitnah Feedback gebe, anstatt alles bis zum nächsten Quartalsgespräch zu sammeln. Das ist etwas, an dem ich noch arbeite.
Wulff: Wie verteilen sich Ihre 30 Wochenstunden zwischen Homeoffice und Büro?
Roesen: Das liegt bei ca. 50:50 wie es auch unternehmensseitig vorgegeben ist. Das passt für mich gut, da ich gerne den persönlichen Kontakt habe und nicht weit pendeln muss. Aber ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass es während der Pandemie funktioniert hat, als wir komplett remote gearbeitet haben. Man muss dann einfach anders arbeiten, mit digitalen Kaffeepausen und anderen Kommunikationsmitteln.
Wulff: Wie würden Sie anderen Frauen Mut machen, ein Teilzeitmodell anzustreben? Was braucht es, damit sich dieses Modell weiter durchsetzt?
Roesen: Es gibt viele Menschen, die das gerne möchten. Aber meiner Meinung nach braucht es vor allem ein Umdenken auf Seiten der Unternehmen. Insbesondere in eher konservativen Unternehmen muss man anfangen, Führung neu zu denken und Strukturen zu schaffen, die Teilzeitkarrieren ermöglichen – ohne dass es Abstriche gibt. Das heißt, dass zum Beispiel Meetings und Schulungen auch in Teilzeit vereinbar sind. Das Ergebnis ist, dass die Mitarbeiter motivierter und besser organisiert sind, und dass das Unternehmen auf einen größeren Pool an Fachkräften zugreifen kann.
Wulff: Gibt es noch etwas, das Sie anderen Frauen mitgeben möchten, die eine Führungskraft sind und ein Teilzeitmodell anstreben?
Roesen: Ein guter Zeitpunkt, um ein solches Modell umzusetzen, ist nach einer längeren Pause – zum Beispiel nach einem Sabbatical, Elternzeit oder einer Weiterbildung. In solchen Fällen hat man oft das Gefühl, dass man mit einem leeren Blatt Papier neu startet. Wenn man das Modell ohne eine Pause umsetzen möchte, kann es hilfreich sein, einen Coach oder Mentor zu haben, der dabei hilft, die Rolle neu zu definieren, die Aufgaben zu priorisieren und kritische Fragen zu stellen.
Wulff: Wir bekommen oft Anfragen von Frauen, die nach der Elternzeit wieder in ihren Job einsteigen und merken, dass ihre Arbeit und ihr Engagement nicht wertgeschätzt werden. Sie möchten weiterhin beruflich wachsen, werden jedoch ausgebremst. Was raten Sie diesen Frauen?
Roesen: Wenn man grundsätzlich mit dem Arbeitgeber zufrieden ist, sollte man das Thema offen ansprechen. Oft passiert das Ausbremsen von Teilzeitkräften aus einem falschen Schutzgedanken heraus, weil das Unternehmen denkt, dass die Person noch nicht wieder bereit ist. Wenn das nicht der Fall ist, sollte man klar kommunizieren, dass man bereit ist, Verantwortung zu übernehmen und - in Teilzeit - wieder voll durchzustarten.
Wulff: Das ist ein interessanter Punkt! Viele Frauen empfinden den „Schutzgedanken“ als das Gegenteil von Wertschätzung und als Zeichen, nicht wahrgenommen zu werden.
Roesen: Ja, das kann tatsächlich der Fall sein. Aber ich denke, es lohnt sich immer, zuerst mit dem Arbeitgeber zu sprechen, wenn man grundsätzlich zufrieden ist. Manchmal sind die Beweggründe für das „Schützen“ nicht das, was man selbst denkt, und es könnte überraschende Möglichkeiten geben.
Wulff: Das ist ein wichtiger Punkt! Netzwerken fällt in Teilzeit oft hinten runter, und dabei ist es auch eine wichtige Aufgabe, daher schätzen wir unsere Mentorinnen mit ihren Netzwerken so sehr, die sie auch an ihre Mentees weitergeben.
Vielen Dank für die wertvollen Einblicke!
Literaturtipp von Frau Roesen: So wird Führung in Teilzeit zum Erfolg! - Johanna Fink, Buch - GABAL Verlag